Frank, Frankfurt am Main, Anwaltsstation bei Internationaler Sozietät in Frankfurt am Main
Sie haben jetzt im November 2016 das Probeexamen absolviert und gehen im Januar bzw. März 2017 ins Assessorexamen. Wie war das Probeexamen für Sie?
Jasmin: Für mich ist das im Januar ja mein Verbesserungsversuch. Ich hatte im März bereits den Erstversuch und eher durchschnittlich abgeschnitten. Ich habe danach Einsicht in die Klausuren genommen. Oft wurde bei mir „Urteilsstil!“ oder „Subsumtion!“ bemängelt, ebenso wie „kein Bezug zum Sachverhalt“ oder „keine Tiefe“. Insgesamt hatte mein Abschneiden wenig mit fehlenden Kenntnissen im materiellen Recht zu tun. Ich habe seitdem versucht, bewusst an diesen Dingen und meinen Schwächen bei der Klausurbearbeitung zu arbeiten.
Ich hatte unterschätzt, wie wichtig sprachliche und strategische Aspekte für den Erfolg im schriftlichen Teil des Zweiten Staatsexamens sind – Zeiteinteilung, schnelle Entscheidung, juristische Argumentationstechniken und Argumentationsstrukturen. Alle Referendare lesen die gleichen Bücher, gehen zu denselben Repetitoren und haben einen ähnlichen Wissenstand. Warum schreiben einige wenige Referendare dann viel bessere Urteile als andere? Was macht den Unterschied? Wie grenzt man sich positiv ab? Genau das wird einem aber nirgends gezeigt.
Das hört sich jetzt vielleicht etwas übertrieben an, aber für mich gab es seit meinem Erstversuch nichts Nützlicheres als das Probeexamen in Verbindung mit dem dazugehörigen Buch „Spitzenklausuren im Assessorexamen“. Ich konnte damit grundlegende Dinge verändern. Ich gehe jetzt vollkommen anders an die Klausuren heran als beim Erstversuch.
Frank: Das Referendariat ist lang. Das Examen kommt immer näher, aber ich hatte keine konkrete Vorstellung davon, was mich erwartet. Für mich war es wichtig, dass ich mich in diese Situation begebe. Die Klausuren sind realitätsnah und eine sinnvolle Ergänzung zum Gerichtsklausurenkurs. Denn man probt durch die hohe Intensität, die das Schreiben von acht Klausuren innerhalb von 14 Tagen mit sich bringt, den Ernstfall. Mit dem Klausurschreiben fangen die meisten Referendare viel zu spät an. Und dann merkt man plötzlich, dass gar nicht mehr viele Klausuren bis zum Examen geschrieben werden. Im Probeexamen kann man wichtige juristische Arbeits- und Klausurtechniken fürs Assessorexamen lernen.
Zu den zentralen Themen einer Klausur hat fast jeder Examenskandidat ähnliche Gedanken, findet die relevanten Normen und Stellen im Palandt oder Thomas/Fischer. Die Frage ist, wie man sich abgrenzen kann. Auf der Ebene der sprachlichen Techniken und Strategien besteht viel Potential, weil das in der juristischen Ausbildung und auch in der überwiegenden Ausbildungsliteratur vernachlässigt wird. Im Probeexamen wird gezeigt, wie man eine strukturierte und überzeugende Argumentation aufbaut. In den Besprechungen werden verschiedene Lösungswege aufgezeigt. Fachwissen alleine hilft nicht weiter, sondern muss durch Klausurpraxis ergänzt werden. Wie formuliert man das? Was macht eine gute Beweiswürdigung aus?
Das Probeexamen war also eine realitätsnahe Generalprobe?
Frank: Das Probeexamen vermittelt das Gefühl und den Anspannungsgrad des richtigen Examens. Es war für mich eine lernintensive Zeit. Ich war viel disziplinierter und motivierter als im Klausurenkurs bei Gericht. Wenn man alle zwei Wochen eine einzelne Klausur schreibt, kommt keine richtige Motivation auf und man nimmt es nicht immer ernst. Es gibt immer eine Ausrede. Vor allem in solchen Klausuren, bei denen man vielleicht nicht sofort eine Lösung weiß. Außerdem waren im Probeexamen die Klausuren so konzipiert, dass ich typische Konstellationen wiederholen konnte.
In der Klausursituation war es für mich interessant zu sehen, wie wenig Zeit man im Examen hat, um seinen Wissensstand zu präsentieren. Wie schnell alles gehen muss. Dazu muss man hochkonzentriert arbeiten, sich früh entscheiden und festlegen. Oft sind es Kleinigkeiten, die aufhalten und viel Zeit kosten. Und es war für mich erstaunlich zu sehen, wie wichtig und entscheidend einzelne Formulierungen sind. Wer mit der richtigen Formulierung in eine Argumentationslinie einsteigt, dem fällt der Rest plötzlich leicht. Solche Strategien kann man während des Probeexamens intensiv einüben.
Jasmin: Ich habe wie gesagt ja schon den Erstversuch hinter mir und weiß, wie es im Zweiten Staatsexamen ist. Das Probeexamen spiegelt das wider, was einen im Zweiten Staatsexamen erwartet. Es ist etwas ganz anderes, als hin und wieder eine einzelne Klausur zu schreiben. Im Examen gibt es jeden Tag ein neues Thema. Es ist nervlich anstrengend, nervenzehrend. Ich hatte Respekt vor dem Probeexamen. Ich war aufgeregt vor der ersten Klausur, obwohl es nur ein Probeexamen ist, so richtig aufgeregt am Abend davor. Wer sich vorher nicht mental auf diese Stresssituation eingestellt hat, ist im Examen beeinträchtigt.
Wo hat Ihnen das Probeexamen konkret weitergeholfen?
Frank: Das Probeexamen hat mir gezeigt, wo ich stehe und was ich noch tun muss. Ich sehe das so: Man bereitet sich doch auf die Prüfung vor, um es besonders gut zu machen. Das erfordert regelmäßige Selbsttests: Wo stehe ich? Dabei muss man sich der realen Prüfungssituation möglichst stark annähern. Das Probeexamen zwingt dich dazu: Was ist, wenn das der Ernstfall wäre? Würdest Du überhaupt bestehen?
Letztlich geht es ja darum: Bei gewohnten – vermeintlich leichten – Konstellationen eine positive Abgrenzung zu schaffen. Die Klausur besser zu verschriftlichen als andere. Und bei ungewohnten, schwierigen Konstellationen ist die Herausforderung, überhaupt eine strukturierte Lösung zu erzeugen. Das erreicht man nur mit juristischen Arbeits- und Klausurtechniken fürs Zweite Staatsexamen. Ich habe im Probeexamen gelernt, mich auf einfache Strategien zu verlassen und das schrittweise abzuarbeiten. Ich habe eine ganz andere Routine gewonnen.
Ich habe auch abseits der eigentlichen Klausuren wichtige Erfahrungen fürs Examen gesammelt. So habe ich beispielsweise nach der Wirtschaftsrechtsklausur im Kommentar nachgeschlagen und festgestellt, dass ich das nicht richtig gemacht habe. In einer Ö-Rechts-Klausur habe ich am Nachmittag die Entscheidung gegoogelt und auch gesehen, dass ich das ganz anders gemacht habe. Das hat mich aus dem Tritt gebracht und beeinträchtigt, obwohl ich in einer dieser beiden Klausuren am Ende am besten abgeschnitten habe.
Jasmin: Erst jetzt und so spät habe ich gelernt, wie Urteile geschrieben werden. Es wird einem eine Stellschraube aufgezeigt, um relevante Veränderungen vorzunehmen. Wenn beispielsweise wie in der Z II-Klausur das OLG der Klage stattgegeben und der BGH abgewiesen hatte, zeigt dies doch, dass beide Lösungswege vertretbar sind.
Jeder liest denselben Kram und trotzdem bleiben manche bei 3 Punkten, viele bei um die 6 Punkte hängen. Es ist wichtig, Klausuren zu schreiben. Natürlich gibt es Leute, die ohne jedwede Klausurpraxis ein Prädikatsexamen schreiben. Aber die meisten von uns brauchen Übung. Im Probeexamen lernt man, wie man sein Wissen in Form bringt.
Frank: Ja, man hat soviel Wissen parat, unzählige Skripte und Konstellationen gelesen, durchdacht und vielleicht auch auswendig gelernt. Im Examen kommen dann nur winzige punktuelle Ausschnitte dran. Und an diesen Punkten muss man jetzt zeigen, dass man es besser als andere kann. Das ist die große Herausforderung.
Haben Sie mal daran gedacht, dass das Probeexamen auch demotivieren könnte?
Jasmin: Das ist doch irgendwie die falsche Einstellung, sich zu sagen: Ich schreibe das Probeexamen nicht, weil mich eine schlechte Note jetzt demotivieren könnte. Motiviert ist man im Examen so oder so. Es kommt darauf an, dann so gut wie möglich vorbereitet zu sein.
Frank: Jeder von uns hat Ziele fürs Examen. Ich wollte wissen, wo ich stehe und was bis zum Assessorexamen noch zu tun ist. Das Probeexamen zeigt jedem, wo er steht. So konnte ich erkennen, was ich noch mit welcher Priorisierung tun muss. Wenn man der Realität ausweicht, besteht die Gefahr, dass man seine Ziele nicht erreicht. Und das ist das große Problem: Man will eigentlich doch gar nicht wissen, wo man wirklich steht. Ich denke, dies ist aber ein wichtiger Baustein, will man das Assessorexamen erfolgreich meistern.
Ich kann allerdings schon auch verstehen, dass viele Referendare Angst vor schlechten Ergebnissen im Probeexamen haben. Ich versuche da aber nicht so notenfixiert zu sein und lieber die Motivation eher aus der Sache selbst zu ziehen, in der Sache besser zu werden. Ich habe im Probeexamen viel dazugelernt. Es hat mir Sicherheit in dem Sinne gegeben, dass es in der Klausursituation allein auf dich selbst ankommt. Und es hat mir die Sicherheit gegeben, dass ich auch schwierige Klausuren irgendwie bewältigen kann.