Sie haben im November 2015 das Probeexamen geschrieben. Im Januar 2016 steht die schriftliche Prüfung bevor. Gab es für Sie persönlich Lerneffekte aus dem Probeexamen?
Georg: Ich hatte ein Erlebnis im Klausurenkurs bei Gericht. Da habe ich im Strafrecht die Lösungsskizze getroffen und alle Themen behandelt. Am Ende standen 8 Punkte unter meiner Klausur. Ich wusste nicht, wie ich das verändern kann. Ich habe mich immer gefragt, wie ich bei Klausuren, mit denen ich gut zurechtkomme, die Notenskala nach oben ausschöpfen kann.
Auf dieser Ebene besteht viel Potential. Bei den Besprechungen im Probeexamen wird man wachgerüttelt. Wie gehe ich eigentlich mit Sprache um? Wie formuliere ich meine Lösung überzeugend? Es werden sprachliche Gestaltungsvarianten aufgezeigt. Man sieht, wie es andere Teilnehmer machen. Bei den Besprechungen im Probeexamen wird nicht nur gezeigt, was man in der konkreten Klausur besser machen kann, sondern was man grundsätzlich sprachlich verändern sollte.
Julian: Es geht darum, Sprache bewusst einzusetzen – Einstiegsformulierungen, strukturgebende Dinge. Sprachliche Strukturen und strategisches Herangehen werden in anderen Klausurenkursen zwar unbewusst bei der Bewertung berücksichtigt. Aber es wird nicht ausdrücklich darauf eingegangen. Es wird nicht offengelegt.
Die Besprechungen gingen in eine Tiefe, die man mit anderen Klausurenkursen nicht vergleichen kann. Vielseitig einsetzbare traditionelle Formulierungsbausteine, eigene sprachliche Typiken und Schwächen. In den Besprechungen wurde uns gezeigt, dass es kein richtig oder falsch, sondern immer mindestens zwei Wege der Klausurlösung gibt.
Inwiefern war das wichtig für Sie?
Julian: Es ist ein überschaubarer Aufwand, sich an bestimmten sprachlichen Regeln zu orientieren. Das hat einen erheblichen Effekt, den ich vorher nicht wahrgenommen habe. In der Kürze der Vorbereitungszeit aufs Zweite Examen kann man nicht alles umfassend wiederholen. Ich habe gelernt, mit unbekannten Sachverhalten und Aufgaben gut umzugehen. Das gibt Sicherheit in der Schlussphase.
Georg: Die Besprechungen mit Fokus auf sprachlicher Logik, Methodik und Struktur geben Selbstvertrauen und eine Sicherheit. Man besinnt sich auf die Basics. Auf alle Spezialprobleme kann man sich im 2. Examen ohnehin nicht vorbereiten. Ich habe einfach akzeptiert, dass man beim ersten Lesen der Klausuraufgabe nur Bahnhof versteht und sich die Lösung mit dem grundlegenden juristischen Handwerkszeug erarbeiten muss.
Wie hat das Probeexamen Ihre Vorbereitung beeinflusst?
Georg: In der Zeit vor dem Probeexamen hatte ich eine viel größere Lernmotivation. Man versucht, sich auf Examensniveau zu bringen. Und kurz bevor’s losgeht bin ich besonders motiviert und die Lerneffekte sind viel größer.
Julian: Bei vielen Formalia sagt man sich: Das sehe ich mir dann irgendwann kurz vor dem Examen an. Diesen Zeitpunkt verlegt man durch das Probeexamen in der Examensvorbereitung nach vorne. Und man konfrontiert sich damit, dass man irgendwann mit einer bestimmten Wissensgrundlage Klausuren schreiben muss.
Wie war der Anspannungsgrad im Probeexamen?
Julian: Es war ein intensives Erlebnis, intensive zwei Wochen. Die Klausurkonstellationen prägen sich in so einer Situation ganz anders ein. Der Lerneffekt ist intensiver. Man hat das Gefühl, das hätte jetzt auch das richtige Examen sein können.
Georg: Es nimmt einem die Angst vor dem Examenstermin. Ich habe auch festgestellt, wie ich die Tage zwischen den Klausuren im Examen nutzen werde. Vorher war ich mir nicht sicher, ob es beispielsweise für mich persönlich Sinn macht, am Wochenende Strafrecht zu wiederholen. Ich habe festgestellt, dass das für mich gut war.
Also eine realistische Generalprobe?
Georg: Ja, es war gefühlt wie das echte Examen. Ich war angespannt, wollte alles besonders gut machen. Bei den ersten beiden Klausuren hatte ich Zeitprobleme. Fehler, die ich im Klausurenkurs schon abgestellt hatte, waren plötzlich wieder da. Im Laufe der zwei Wochen hat sich viel bei mir entwickelt. Es war ein heilsamer Effekt.
Julian: Es war eine Bereicherung, den Ernstfall geprobt zu haben. In kurzer Zeit viele Klausuren unter Anspannung zu schreiben. Ich habe ein gutes Gefühl und Rückenwind fürs Examen. Ich kenne die Stellschrauben, an denen ich in der verbleibenden Zeit noch drehen kann. Ich habe gemerkt, dass man durch jede Klausur durchkommt.
Georg: Man merkt im Probeexamen, dass die Klausuren eng an Originalklausuren orientiert sind. Das gibt der Sache eine andere Wertigkeit. Was hilft es mir, wenn ich viele Klausuren schreibe, die aber mit der Examenssituation nichts zu tun haben. Klausuren, die ganz anders ausgerichtet sind und Spezialprobleme abfragen.
Würden Sie an Ihrer Examensvorbereitung im Rückblick etwas ändern?
Julian: Ich habe viel zu spät mit dem Klausurenschreiben begonnnen. Du denkst, da weißt Du noch nicht genug. Aber man kann auch gute Klausuren schreiben, wenn man noch nicht soviel weiß. Das habe ich zu spät verstanden. Man verliert grundlegende Dinge aus den Augen.
Georg: Beim Klausurenschreiben früher darauf zu achten, mit seinen Ausführungen zu überzeugen und nicht schematisch Punkte abzuhaken. Sich mehr im Aktenauszug zu bewegen und das auszuschöpfen. Was würden die Parteien zu der Entscheidung sagen? Überzeugt es die unterlegene Partei?
Was für Lehren ziehen Sie fürs Examen?
Julian: Ich habe mir nach den Erfahrungen aus dem Probeexamen vorgenommen: Das Ziel im Examen muss sein, solide Leistungen und keine Ausreißer nach unten zu produzieren. Nicht zuviel zu wollen.
Georg: Wenn man’s besonders gut machen will, denkt man zuviel nach. Und ich habe noch mal gemerkt, dass man nicht wie im 1. Examen ohne Ergebnis und Skizze einfach losschreiben kann. Meine Freundin beginnt jetzt ihr Referendariat in Darmstadt. Ich habe ihr schon gesagt, dass sie sich möglichst frühzeitig mit Sprache und Struktur beschäftigen soll.
Julian: Wir hatten das Glück, mit einer kleinen Gruppe hervorragender Leute das Probeexamen zu absolvieren. In den Besprechungen wurden uns die sprachlichen Strukturen und Herleitungswege der einzelnen Bearbeiter aufgezeigt. Außerdem von Kandidaten, die im Zweiten Examen schon hervorragend abgeschnitten haben. Wir konnten sozusagen mit und von den Besten lernen.
Wir sitzen jetzt mit etwa 200 Leuten im Examen. Ich denke, wir haben uns einen wichtigen Wettbewerbsvorteil erarbeitet. Warten wir mal die Ergebnisse ab…
Danke für das Gespräch.